Frieder Bernius interpretiert Mozarts Requiem
Frieder Bernius interpretiert Mozarts Requiem, pexels/Foto illustrativ

In der Markuskirche Stuttgart fand ein außergewöhnliches Konzert statt. Der renommierte Dirigent Frieder Bernius interpretierte Mozarts unvollendetes Requiem sowie die selten gespielte „Symphonie Funèbre“ von Joseph Martin Kraus. Der Abend war geprägt von intensiver Emotionalität und klanglicher Präzision. Bernius setzte nicht auf oberflächliche Schönheit, sondern betonte mit feinem Gespür die Tiefen der Werke. Das Zusammenspiel von Chor, Solisten und Orchester bewegte sich auf höchstem Niveau.

Inhaltsverzeichnis:

Joseph Martin Kraus und der ermordete König Schweden

Joseph Martin Kraus’ „Symphonie Funèbre“ entstand nach dem Mord am schwedischen König Gustav III. im Jahr 1792. Das Werk beginnt in c-Moll, geprägt von gedämpften Paukenschlägen und stockenden Synkopen. Diese musikalischen Mittel symbolisieren Sprachlosigkeit und Trauer. Später hellt sich die Stimmung in As-Dur auf, doch bleibt die Erlösung vom Tod aus. Die Kontraste in der Komposition sind scharf gezeichnet.

Der Abend zeigte, wie eng Klang und Geschichte verbunden sein können. In Kraus’ Werk verbinden sich politische Tragödie und persönliche Klage. Die selten aufgeführte Symphonie erwies sich als eindrucksvolles Beispiel musikalischer Trauerarbeit. Bernius hob besonders die inneren Spannungen und düsteren Farben hervor.

Mozarts Requiem in der Fassung von Franz Beyer

Im Zentrum des Konzerts stand Mozarts Requiem, in der überarbeiteten Version von Franz Beyer. Bernius entschied sich bewusst für diese respektvolle Fassung. Beyer beschränkt sich auf kleinere Korrekturen und verzichtet auf starke Eingriffe. So bleibt der ursprüngliche Ausdruck Mozarts erhalten. Besonders auffällig war die Umsetzung des Kreuzmotivs, das Mozart aus Händels „Messias“ übernommen hatte. Dieses Motiv durchzieht das Kyrie und verleiht dem Werk eine theologisch-symbolische Tiefe.

Die Solisten – Hannah Morrison, Marie Henriette Reinhold, Florian Sievers und Felix Rathgeber – überzeugten durch klare Linien und emotionale Präsenz. Im „Recordare“-Quartett entwickelten sie gemeinsam mit dem Orchester ein bewegendes Wechselspiel aus Bitte, Angst und Hoffnung. Bernius achtete darauf, die Struktur des Werks nicht zu verlieren. Jede Emotion stand im Dienst des großen Ganzen.

Der Kammerchor Stuttgart als Klangträger des Ewigen

Ein Höhepunkt des Abends war der Auftritt des Kammerchors Stuttgart. Dessen Klang zeichnete sich durch Reinheit, Prägnanz und außergewöhnliche Spannkraft aus. Vom feinsten Piano bis zum vollklingenden Forte reichte die Dynamik. Besonders im „Lacrimosa“ vermieden die Geigen jede Sentimentalität. Die scharfen Akzente unterstrichen die Ernsthaftigkeit des Themas. Der Wechsel der Harmonien bei „Pie Jesu“ wirkte überirdisch.

Bernius verzichtete bewusst auf süßlichen Trost. Stattdessen betonte er die existenzielle Spannung zwischen Trauer und Hoffnung. In „Misericordias Domini“, einem Frühwerk Mozarts, wurde dies ebenfalls deutlich. Das Kreuzmotiv erscheint auch hier. Die Verbindung zur Liturgie bleibt spürbar. Gleichzeitig findet die Musik stets ihre eigene Sprache.

Das Konzert war durchdacht konzipiert und meisterhaft umgesetzt. In jedem Moment spiegelten sich Tod, Trost und Transzendenz. Die Werke von Kraus und Mozart, historisch weit auseinanderliegend, verband Bernius zu einem stringenten musikalischen Bogen.

Quelle: Stuttgarter Zeitung